Gemischtkonfessionelle Paare müssen selber wissen, ob sie zur Eucharistie gehen können

(Lesezeit 10 Minuten) Können nun konfessionsverbindende Paare gemeinsam zur Eucharistie gehen? Mit Spannung las ich die „Orientierungshilfe“ der katholischen Bischöfe für die Priester, die sich nun mit diesem Thema befassen müssen. Unter dem auf Papst Franziskus ausgerichteten Titel „mit Christus gehen – der Einheit auf der Spur“ orientiert sich der fast 40 Seiten lange Text an den jüngsten Errungenschaften der Ökumene unter diesem Papst. Es wird von der ersten Zeile an deutlich, dass Franziskus „mit Christus“ einen ökumenischen Weg zusammen („Cammino insieme“) wünscht, eine Vokabel, die an dem Weg der beiden Jünger nach Emmaus erinnert. Sie mögen unterschiedlichen Gedanken und Orientierungen anhängen, gemeinsam aber trauern sie über Jesu Tod, richten sich nach ihm aus – und merken dennoch nicht, dass er längst wieder bei ihnen ist und mit ihnen geht. Im Vertrauen auf Christus verlangt die Orientierungshilfe den Mut zu mehr Gemeinsamkeit. Sie fordert die Priester auf, das Gewissen der Glaubenden zu schulen, ohne dabei als Schulmeister zu diktieren; denn letztlich liegt die Entscheidung bei den Eheleuten selbst, erwächst aus der „Hauskirche“ von Mann und Frau, die sich gegenseitig das Ehesakrament gaben.
So ist es kein Zufall, dass die Orientierungshilfe mit zwei wichtigen ökumenischen Ereignissen beginnt. Da ist der ökumenische Gottesdienst, der zu Beginn des Gedenkjahres zu 500 Jahren Reformation am 31. X, 2016 im schwedischen Lund gefeiert wurde. In der Erklärung von Lund ist vom Schmerz all jener Paare die Rede, die „ihr ganzes Leben teilen, aber Gottes erlösende Gegenwart im juristischen Mal nicht teilen können.“ Die deutschen Bischöfe spüren aus dieser Situation die pastorale Verantwortung, „dem geistlichen Hunger und Durst unserer Menschen, eins zu sein mit Christus, zu begegnen.“ Zwar dürfe die heilige Kommunion nicht als „Mittel zum Zweck einer ökumenischen Verständigung“ umfunktioniert werden; auch dürfe Ökumene nicht auf Abendmahlsgemeinschaft verkürzt werden. Doch schon früher haben wir auf „die seelsorgerische Begleitung im konkreten Fall auf die ganz persönliche Beziehung zu Christus“ hingewiesen.“ Dieser Begriff vom konkreten Fall wird gerne missverstanden als Einzelfall. Darum geht es aber nicht; es geht vielmehr um die gewissenhafte Prüfung in einem jeden einzelnen Fall und nicht um eine Generallösung. Das kann die evangelische Kirche nicht stören; denn die Würdigung des jeweils einzelnen mit seiner eigenen Beziehung zur Eucharistie wird der Ernsthaftigkeit gerecht, mit der ein jeder Glaubende an den Altar treten sollte.
Der Besuch von Papst Franziskus am 15. November 2015 in unserer Christus-Kirche in Rom ist das zweite ökumenische Ereignis, das den Text einleitet und das zu Vorbild und Maßstab wird, an dem sich die Bischöfe orientieren: „Wir nehmen die Ermutigung des Papstes ernst“, heißt es (Seite 7). Damals gab der Papst bei einer Vesper einem solchen Paar den Rat: „Eine Taufe, ein Herr, ein Glaube. Sprecht mit dem Herrn und geht weiter. Mehr wage ich nicht zu sagen.“ Eingeengt durch das Kirchenrecht nach dem kirchlichen Gesetzbuch (CIC) von 1983, 844 Paragraf 3 kann es eigentlich die Teilnahme an der Eucharistie nur im Notfall geben: „Wenn Todesgefahr besteht oder wenn nach dem Urteil des Diözesanbischofs bzw. der Bischofskonferenz eine andere schwere Notlage dazu drängt, spenden katholische Spender diese Sakramente“ auch jenen nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehenden Christen, heißt es im CIC.
Wenn man den Papst richtig versteht, dann empfindet er diese Einengung als schmerzlich und „restriktiv“, hat er doch immer wieder darauf hingewiesen, „dass das Leben größer ist als Erklärungen und Deutungen“ (damals in unserer Kirche). In seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ stellte er so auch fest, dass die Wirklichkeit wichtiger sei als jede Idee, worunter man auch Glaubenssätze mit Rechtscharakter verstehen kann: „Die Wirklichkeit steht über der Idee. Das schließt ein, verschiedene Formen der Verschleierung der Wirklichkeit zu vermeiden: die engelhaften Purismen, die Totalitarismen des Relativen, die in Erklärungen ausgedrückten Nominalismen, die mehr formalen als realen Projekte, die geschichtswidrigen Fundamentalismen, die Ethizismen ohne Güte, die Intellektualismen ohne Weisheit.“
Als der Papst die Veröffentlichung dieser Orientierungshilfe der Bischöfe als ein Papier der Bischofskonferenz untersagte, hieß es, er mache eine Rolle rückwärts und schließe sich den Kritikern einer Öffnung der Eucharistie für konfessionsverbindende Paare an. Dabei wurde der Papst missverstanden. Tatsächlich hat sich in seiner Einstellung seit dem Besuch in unserer Kirche (2015) und dem katholisch-lutherischen Gottesdienst im schwedischen Lund (2017) nichts geändert. Der Papst geht seinen eingeschlagenen Weg weiter. Die Bischöfe haben mit ihrer Rücknahme als Orientierungshilfe durch die gesamte Bischofskonferenz auch nicht alles umgeworfen. Es geht vielmehr darum, dass es erhebliche Kritik an einer Öffnung bei der Eucharistie gibt, der Papst aber eine Spaltung der Kirche verhindern muss. So soll nun keine neue Theologie gewagt sondern allen pastoral verfahren werden, sollen fürs erste ohne Änderung des CIC die untere Ebene der Diözesanbischöfe mehr Freiheiten erhalten. Sie sollen sich in „klugem Ermessen“ jeweils „konkret verhalten“ unter Berücksichtigung aller Umstände der Zeit, des Orts und der Personen, wie es schon in einem Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils (UR) hieß.
Während fürs erste die Teilnahme katholischer Ehepartner an einer evangelischen Abendmahlsfeier weiter ausgeschlossen bleibt, weil es vermeintlich kein gemeinsames Verständnis des Abendmahls und der Eucharistie gebe, was bei den Lutheranern nicht stimmt, wollen sich katholische Bischöfe der Teilnahme von evangelischen Eheleuten mit ihrem katholischen Mann oder ihrer katholischen Frau öffnen. „Wir wollen den Ehepaaren helfen, im seelsorgerischen Gespräch, zu dem wir einladen, ihre Entscheidung zu treffen oder zu klären. Wir lassen uns von Papst Franziskus mahnen: wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben sie zu ersetzen.“ Damit ist ein Grundtenor gesetzt. Weniger die Entscheidung eines Geistlichen ist gefragt, vielmehr steht die Gewissensprüfung der Eheleute im Zentrum, so wie es der Papst in unserer Kirche schon sagte.
Etwas mühsam versucht die Orientierungshilfe sich an den Texten von Papst Johannes Paul II. zur Eucharistie zu orientieren. Tatsächlich bewegt sich die katholische Kirche mit diesem Text weg von der überkommenen „Dignität der Theologie“, die nicht angetastet werden soll, hin zu einer ernsthaften Würdigung des jeweils Einzelnen. Die schwere Notlage eines Ehepartners, der seine tiefe Sehnsucht nach dem Empfang des Sakrament nicht stillen kann, steht im Zentrum. Wenn die Kirche sich seiner Sehnsucht versagt, würden der Glaube gefährdet (Seite 15) und die Ehe selbst. Das Papier zitiert den Papst aus Amoris laetitia: Im Blick auf die zahllosen Unterschiede der konkreten Situationen sei eine generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art nicht hilfreich, (Seite 16) wohl „aber eine neue Ermutigung zu einer verantwortungsvollen persönlichen pastoralen Unterscheidung jedes einzelnen Falles. Damit wird im Weiteren der jesuitische Begriff von der Unterscheidung eingeführt, mit dem weg vom Regelfall der individuelle Einzelfall ins Zentrum gestellt ist.
Bei der Würdigung dieser Einzelfälle geht das Papier ausführlich auf die durch die Gemeinschaft von Ehe und Familie gebildete „Hauskirche“ ein, einen Begriff, den Benedikt XVI. wieder ins Zentrum stellte, wobei er auf Martin Luther Bezug nahm. Aber auch schon Johannes Paul II. sprach von der „kleinen Kirche“. Sie kommt ohne den Geistlichen aus, aber kann wie jede Kirche nicht ohne Eucharistie sein: „Keine Kirche kann aber ohne Eucharistie sein.“ (Seite 20) Für die christliche Ehe sei sie Nahrung, Kraft und Anreiz.
Ausführlich widmet sich dann die Handreichung dem katholischen Verständnis der Eucharistie und spricht über die „Wesensverwandlung“ von Brot und Wein in den Leib Christi und sein Blut (Transsubstantiatio). Nach katholischem Verständnis kann nur jemand an der Eucharistie teilnehmen, der an diese Wesensverwandlung beim Abendmahl glaubt. In diesem „Geheimnis des Glaubens“ werde der Christ blutsverwandt mit Jesus Christus. In diesem Zusammenhang hätte ich nun erwartet, dass die Orientierungshilfe verlangt, dass nur jene evangelischen Ehepartner zur Eucharistie gehen dürfen, die an diese Wesensverwandlung glauben. Tatsächlich wird dieser Zusammenhang nur insinuiert. Es wird vom Hochgebet gesprochen, zu dem ein evangelischer Christ „ja“ sagen müsse. Doch in der Hauskirche und bei der Gewissensprüfung lassen sich viele Glaubensinhalte genauso wenig abfragen, wie sie auch jetzt nicht abgefragt werden, wenn ein Katholik zur Eucharistie geht. Diese Zusammenhänge verstehen sich quasi von selbst, wenn sie von den Christen heute überhaupt noch verstanden werden.
Noch einmal zur Rolle des Priesters: Zum Amtsverständnis steht in der Orientierungshilfe relativ wenig: Nach katholischer Lehre sei die Eucharistie an den Dienst derer gebunden, die zum „Priestertum des Dienstes“ geweiht sind (Seite 27): Jeder Eucharistiefeier stehe ein geweihter Priester vor, „der in der kirchlichen Einheit steht“. An verschiedenen Stellen wird eben auch vom Hochgebet gesprochen, in dem für den Papst gebetet wird, als dem Bischof von Rom, „der das immer währende sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielfalt von Bischöfen und Gläubigen“ sei. Dieser Hinweis auf den Papst mag viele Evangelische verschrecken. Andererseits wird für den Papst als den Bischof von Rom gebetet; und das könnte auch gleich wieder versöhnen. Warum sollte ein Evangelischer nicht für den Bischof von Rom beten, warum nicht für die „Einheit der Vielfalt“, solange sich das nicht als Einordnung in eine katholische Hierarchie missverstanden wird.
Gemeinhin wird das katholische Amtsverständnis als ein Hindernis zu mehr Einheit in der Kirche mit Evangelischen gesehen. Auf einer gemeinsamen ökumenischen Konferenz in der Gregoriana 2017 wurde dann freilich gesagt, dass es bei dem „Priestertum des Dienstes“, das vom Bischof bei der Weihe des Priesters weitergegeben wird, weniger um einen Übergabe von Amtsträger zu Amtsträger gehe als um das Weitreichen der sakramentalen Kraft und der theologischen Gelehrsamkeit. Es gehe bei der Sukzession mithin weniger um die Personen als die geistigen Gaben, die weitergereicht würden. Beim Ehesakrament ist der Priester im Übrigen nicht verlangt. Das spenden sich die beiden Eheleute selber. Das darf nicht vergessen werden, wenn es in der Hauskirche um die Gewissensprüfung der Eheleute in konfessionsverbindenden Paaren und ihren gemeinsamen Weg zum Altar geht.
In dem Zusammenhang möchte ich anfügen, dass zölibatär lebende Geistliche auch nicht unbedingt gute Ratgeber in Ehefragen sind. Das findet der an der Kurie in Rom für Familien und Laien zuständige Kardinal Kevin Farrell, der jetzt in einem Pressegespräch sagte: „Priester sind nicht die geeignetsten Menschen, um andere für die Ehe auszubilden. Sie haben keine Glaubwürdigkeit, nicht die Erfahrung; sie kennen vielleicht die Moraltheorie, die Dogmatik.“ Doch für die Praxis reiche die Theorie nie, sagte der Präfekt dem in Irland erscheinenden katholischen Magazin „Intercom“.
Zurück: Meiner Meinung nach öffnet diese Orientierungshilfe die Teilnahme evangelischer Ehepartner oder Partnerinnen der katholischen Eucharistie. Die Teilnahme wird auch nicht an die Beichte gebunden, wie das in der katholischen Kirche vorgesehen ist. Die wird im Text nur am Rande erwähnt. Vorbedingung ist die Gewissensprüfung des Paares und jedes einzelnen, ist der dringende Wunsch der Eheleute, gemeinsam an den Altar zu treten. Es steht nun im Belieben eines jeden Diözesanbischofs und seiner Priester, diese Orientierungshilfe mit Leben zu erfüllen. Der Erzbischof von Paderborn Hans-Josef Becker und der Bischof von Würzburg Franz Jung haben sich schon mit eigenen Initiativen vorgewagt. Aber es gibt auch Kritiker, die nun damit drohen, so werde die Einheit der katholischen Kirche gefährdet, auch wenn einstimmig von allen Bischöfen der Bischofskonferenz beschlossen worden war, diese Orientierungshilfe an die Diözesen weiter zu reichen. Da ist sie nun. Und auch die Laien werden sie lesen; müssen sie auch. Denn die Kirche will, dass sich die Ehepaare prüfen. Wie sagte doch der Papst: „Eine Taufe, ein Herr, ein Glaube. Sprecht mit dem Herrn und geht weiter.“

https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2018/08-Orientierungshilfe-Kommunion.pdf