Der Möbelpacker: Die Bilder hängen zu hoch – Wieder ein Umzug nach römischer Art

(Lesezeit 3 Minuten) Unser jüngster Umzug in eine kleinere Wohnung in Rom war ein geräuschloses und fast unbeschwertes Unterfangen. Deswegen war er offenbar auch eine Ausnahme; hören wir doch aus dem Freundeskreis in Deutschland häufiger von durchwachsenen Erfahrungen, wenn man sich einer Umzugsfirma anvertraut und „nicht alles selber macht“. Tatsächlich haben auch wir schon in Deutschland Wohnungen gewechselt und konnten ebenfalls Unterschiede zu unseren Erfahrungen in Rom feststellen.
Nun soll es aber bei diesem Beitrag nicht um den Lobpreis eines größeren Unternehmens in Rom gehen sondern um eine gegenüber Deutschland offenbar andere Mentalität der „Möbelpacker“. Mit diesem deutschen Wort wäre der Unterschied schon ausreichend markiert. Wir selber, aber eben auch viele Freunde erleben in Deutschland bei Umzügen jene ruppigen, kräftigen Männer, die Möbel packen und tragen. Der reibungslose Transport scheint für sie das wichtigste, und der Kunde stört in der Regel. Der Dialog mit ihm beschränkt sich auf ein Minimum; der Auftraggeber ist vor allem für einen geregelten Nachschub an Getränken und Essen zuständig; und zum Schluss muss das Trinkgeld stimmen.
In Rom haben wir nun ein zweites Mal die Erfahrung gemacht, dass es zum Beispiel dem Kalabresen Mimo und seinem Team darum geht, den Kunden von der Angst zu befreien, er verliere seine lieb gewordene Heimstatt und werde ins Chaos einer neuen Bleibe abgeschoben. Natürlich packen auch Mimos Leute und tragen; aber schon vorab wird genau geklärt, wo das Umzugsgut wieder ausgepackt werden soll. Nicht der Wechsel steht im Mittelpunkt sondern das Ankommen. Wenn man so viele Jahre der Erfahrung im Umzugsgewerbe hat wie Mimo und seine Leute, bedeutet das viel: Die Packer werden zu Partnern: „Dottore! Das ist – glaube ich – keine gute Idee, dieses Möbelstück so nah am Fenster ins Sonnenlicht zu stellen“, sagt mir Daniele, einer von Mimos Leuten, und denkt an den Schutz des alten Biedermeier-Sekretärs.
„Dottore! In der alten Wohnung hattet ihr doch die Bettwäsche und Handtücher direkt im Schlafzimmer neben dem Badezimmer. Das könnten wir hier wieder machen“, gibt Mimo zu bedenken, während sich einer seiner technisch begabten Kollegen daran macht, Lampen anzubringen und Gardinen. „Dieser Stoff passt hier schlecht; er ist zu kurz. Das Fenster zu groß“ So eine Bemerkung kann schon wehtun, wenn man gerade keine andere Gardine zur Hand hat und sich auch keine neue leisten kann.
Während wir bei deutschen Umzügen – wie unsere Freunde – immer wieder erlebt haben, dass die Möbelpacker genau nach Stunden ihre Leistung erbringen und dann plötzlich weg sind, ging es beim jüngsten Umzug in Rom Mimos Leuten darum, den Auftraggeber nicht im Chaos sitzen zu lassen. Und so war es längst nach fünf, als wir auch noch die besonders schweren Bilder an die Wand hängten. Ich hatte die Stiche aus Jerusalem und die Gemälde meiner Mutter schon aufdem Boden an die Wand gelehnt, und nun rückten Mimo und Daniele mit Metermaß, Bohrer, Dübel und Schrauben an. Zu dritt sieht man vieles besser – und redet plötzlich mit „Packern“ über Ästhetik, verhehlte Mimo doch nicht den Kommentar, dass er die Bilder zwar ebenfalls übereinander aber doch etwas tiefer hängen würde. Das provozierte meine Frage, wie er seinen Geschmack entwickelt habe. Immerhin weiß ich doch, dass Mimo nicht Innenarchitekt ist. „Ich bin seit 20 Jahren im Job, habe solche und solche Wohnungen mit eingerichtet, zum Beispiel diese Wohnung von (Ex-Ministerpräsident) Berlusconi hier in Rom, aber eben auch eine tolle von Sgarbi, (Vittorio Sgarbi ist ein wichtiger italienischer Kunsthistoriker und Politiker). Da lernt man das, Dottore“, lautete sein knapper Kommentar.
Nach deutscher Manier gab ich Mimo und seinen vier Männern nach Abschluss der Arbeit ein Trinkgeld, nach deutschem Maßstab viel zu wenig. Mimo war das Geld überhaupt peinlich. Aber er nahm es natürlich und bedankte sich. Der Inhaber seiner Firma sieht Trinkgeld ungern, denn ein Umzug sei eine teure Sache und er bezahle seine Leute besser als andere Unternehmen. Mir ging es bei dem kleinen Trinkgeld eigentlich nur um eine ebenso kleine Anerkennung, und Mimo verstand das. Er werde bald mit einem großen Umzug nach Berlin kommen. „Dann melde ich mich bei Ihnen. Sollten Sie auch in Berlin sein, essen wir zusammen.“ Jetzt schickte mir Mimo zur Vorbereitung dieses Abends das WhatsApp-Photo eines von ihm frisch zubereiteten Barsches. „Kann man so etwas auch in Berlin bekommen?“ jöb.