Draghi hat eine Chance zum Erfolg – Die Not ist groß, die Koalition auch – und er kann Geld verteilen

(Lesezeit vier Minuten) Mit Mario Draghi – 73 Jahre alt – übernimmt wieder einmal einer der alten italienischen Männer das Kommando in Rom. Italiener mögen das Patriarchat, haben schon mehrfach alte Männer an die Spitze gestellt, man denke nur an Giulio Andreotti oder Silvio Berlusconi.

Italien hat auch schon mehrfach Technokraten als Regierungschefs gesehen; in Erinnerung ist Wirtschaftsprofessor Mario Monti, der von 2011 an den Schuldenberg Berlusconis abarbeiten sollte, aber nur bis 2013 blieb. Es gab auch schon Technokraten aus dem Bankermilieu an der Regierungsspitze: 1993 setzte der Präsident den damaligen Notenbank Gouverneur Carlo Azeglio Ciampi ein; der blieb ein Jahr. Nach einer kurzen Berlusconi-Unterbrechung des neuerlichen Niedergangs sollte es 1995 der Ex-Notenbanker Lamberto Dini richten; der blieb aber ebenfalls nur ein Jahr. Die Regierung Draghi aber hat eine Chance zum Erfolg. Die politische „emergenza“ (Notlage) in der Covid-Katastrophe ist groß. Draghi wird von einer übergroßen Koalition von links nach rechts getragen; und er gibt dennoch mit technokratischen Spitzenministern die Richtung vor.

 

Auch der bisherige Ministerpräsident Giuseppe Conte war als Rechtsprofessor ohne Parteizugehörigkeit ein Technokrat an der Macht. Er war zunächst als willenloses Schaf der beiden gegensätzlichen Bewegungen „Fünf Sterne“ und Lega 2018 zur Moderation der Unterschiede in den Palazzo Chigi geschickt worden.

Die „Cinque Stelle“, die der TV-Komiker Beppe Grillo mit seiner „Leck-mich-am Arsch-Attitude“ aus Basis-Sprechern von rechts wie links zu einer lockeren Bewegung zusammengefügt hatte, in der man für und gegen Europa, aber auch für und gegen die Ökologiebewegung sein konnte, ist in den letzten Jahren eher zu einem Bündnis des Machterhalts degeneriert. Wie immer in politischen Bewegungen will sich damit aber womöglich die Linke nicht abfinden, und es droht eine Absatzbewegung, die aber nun die Draghi-Regierung nicht belasten muss.

Der zweite Partner in der Regierung von Conte war die nationalistische Lega von Matteo Salvini. Der aber fühlte sich so uneinholbar stark, dass er 2019 den Aufstand probte, um nach Neuwahlen selber Regierungschef zu werden. Dies Aufbegehren scheiterte nicht zuletzt an Conte, der eben längst kein willenloses Schaf mehr war. Conte trat vielmehr von sich aus zurück, um – ohne die Lega – aber mit den sozialdemokratisch orientierten Demokraten des PD und der PD-Abspaltung von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi „Italia Viva“ eine zweite Koalition zu gründen, die dann aber im Februar 2021 auf dem Höhepunkt der Covid-Krise zerbrach. Damit endete die Politiker-Karriere des Technokraten Conte.

 

Überall stand zu lesen, dass es die Dampfwalze Renzi zu verantworten habe, dass mitten in der Covid-Krise die Koalition zusammenbrach. Tatsächlich entzog Renzi dem Conte mit seinem Trüppchen die Mehrheit. Damit ging Renzi ein hohes Risiko ein. Aber sollte die Regierung Draghi von Erfolg gekrönt sein, dann dürfte Renzi dereinst der Dank der Nation sicher sein. Und dafür gibt es gute Chancen. Gewiss, Draghi ist mit seinen 73 Jahren einer der typischen alten Männer in Italien. Gewiss, in Rom haben – wie gesehen – die Regierungen unter diesen Technokraten selten lange gehalten.

Andererseits ist dieses neue Kabinett von besonderem Kaliber: Von den rechtsnationalen Populisten der Lega über die Populisten der „5 Sterne“, vom PD bis zu „Viva Italia“ tragen die wichtigsten Parteien als große Koalition diesen Draghi; (von der AfD bis zu den Linken mit CDU/CSU und SPD ist man in Italien quasi für einen Jens Weidmann von der Bundesbank). Dabei übernehmen diese Parteien aber nicht etwa die Hauptverantwortung. Für die wichtigsten Posten holte sich Draghi – auch ohne Absprache mit den Parteien – Fachleute in sein Kabinett: Justizministerin ist die Ex-Präsidentin des Obersten Gerichtshofes Marta Cartabia; Finanzminister Daniele Franco, der Vize-Gouverneur der Notenbank. Als weitere Experten sind der Unternehmer Vittorio Colao als Minister für Innovation und Digitalisierung im Kabinett sowie der Ökonom Enrico Giovannini für Verkehr und Infrastruktur im Kabinett Draghi.

Auf den letzten Metern der Regierungsbildung hatte Grillo noch mit seiner Zustimmung gezögert. Um den „5 Sternen“ doch noch so etwas wie einen parteipolitischen und inhaltschweren Charakter zu geben, forderte Grillo von Draghi einen Umweltminister, der endlich Italiens ökologischen Wandeln herbeiführen solle. Gewiss hatte Grillo an einen Minister von den „Sternen“ gedacht. Draghi aber fand diese Idee zwar wunderbar, doch er holte sich mit Roberto Cingolani, einem Physik-Professor (interdisziplinäre Nanotechnologie) und Unternehmer aus Genua, einen eigenen Mann Kabinett.

Noch bevor Draghi sein Programm selber vorstellte, steckte er mit diesen Ernennungen, die er vor allem mit Staatspräsident Sergio Mattarella austüftelte, die Richtung seiner Regierungsarbeit ab. Draghi zeigt also politischen Reformwillen. Jetzt endlich sollen die Punkte zum Tragen kommen, die Renzi über die vergangenen Monate einforderte. Anders als frühere Technokraten-Regierungen kann Draghi Geld verteilen. Aber das EU-Hilfspaket über 209 Milliarden Euro soll nicht verplempert werden, was Renzi immer wieder bei Conte kritisierte; auch wenn der gewiss das beste versuchte

Tatsächlich scheint zudem das Bewusstsein der Krise – der „emergenza“ – in den Parteien so stark geworden zu sein, dass sie sich dem Willen eines Technokraten unterordnen.  Italiens Wirtschaftsproduktivität ist am Boden; die Staatsschulden liegen bei 160 % der Wirtschaftsleistung. Die Infrastruktur ist marode, die Bürokratie dafür überbordend, und ein aufgeblähter Staats- und Beamtenapparat frisst die viel zu hohen Steuern.

Die EU-Hilfsgelder sollen nun genau dahinfließen, wo sie bei der Infrastruktur, Innovation und Digitalisierung sowie in der Umwelt helfen können, um Italiens Potentiale zu befreien. Spätestens im April muss Italien in Brüssel seinen Plan für die Nutzung des Covid-Paktes vorlegen. Das dürfte kein Problem sein. Die Regierung Draghi hat eine Art Chance zum Erfolg, bis 2023 wieder gewählt wird. (jöb.)

30 thoughts on “Draghi hat eine Chance zum Erfolg – Die Not ist groß, die Koalition auch – und er kann Geld verteilen

  1. Hello! Do you use Twitter? I’d ike to follow you iff that would be okay.

    I’m definitely enjoying your blog aand look forward too new articles.

  2. I got thos site from my pal who shared with me concerning this website and now this time I
    am browsing thiks website and reading very informative articles or reviews at this place.

  3. Hello! I wish to sayy that this post is awesome, great
    written and come with approximately all important infos.
    I’d like to look extra posts like this! 🙂

Comments are closed.