Kardinal Reinhard Marx, der langjährige Chef der Deutschen Bischofskonferenz und einer der engsten Berater von Papst Franziskus zieht die Konsequenzen aus den Skandalen seiner Kirche und bietet dem Papst seinen Rücktritt an. Manche sagen, dieser Schritt des mit 67 Jahren für einen Rücktritt aus Altersgründen zu jungen Priesters sei mit dem Papst abgespochen, der sich eine ehrliche Kirche wünsche. Der beste Kenner dieser Kirche in Deutschland und F.A.Z-Redakteur Dr. Daniel Deckers kommentiert für die F.A.Z.:
„Ist das nun der Wendepunkt in der katholischen Kirche im Umgang mit persönlichen Verstrickungen vieler vormaliger und aktueller Amtsträger in einer schier endlosen Unheilsgeschichte von sexueller Gewalt und Vertuschung? Fast zwei Jahrzehnte stand Reinhard Marx an der Spitze der Diözesen Trier und München. Sechs Jahre war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Ebenso lange führte er als Präsident die Kommission der Bischofskonferenzen der EU.
Mehr noch: Papst Franziskus berief ihn vor acht Jahren in den Kreis seiner engsten Berater. Dieser Mann, der machtvolle Ämter sammelte wie andere Jagdtrophäen, verzichtet nun auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising. In seiner Person, so muss Marxens Brief an den Papst gelesen werden, verschränkten sich individuelles Scheitern und kollektives Unvermögen in emblematischer Weise.
Der „Synodale Weg“ ist zu Theologengezänk verkommen
Kein Papst, kein Kardinal, kein Bischof weltweit hat die Verstrickungen auch der heutigen Amtsträger in die institutionellen Pathologien der Kirche derart schonungslos offengelegt wie Marx. Damit könnte in der Tat ein Wendepunkt markiert sein. Denn anstatt sich wie sein Kölner Gegenspieler Rainer Maria Woelki durch versierte Strafverteidiger von jeder Verantwortung freisprechen zu lassen, geht Marx mit der Heuchelei von seinesgleichen hart ins Gericht.
Da darf es kein Zurück geben, nicht in Deutschland, nicht in Europa, nirgendwo auf der Welt. Was das in letzter Konsequenz bedeuten kann, haben bislang aber nur die Bischöfe in Chile praktiziert: Sie haben 2018 ihre Ämter kollektiv zur Verfügung gestellt.
In Deutschland fragt man sich, wie ein Neuanfang hierzulande beschaffen sein müsste. Seit Jahren gleicht die Suche nach halbwegs fähigen Kandidaten für ein Bischofsamt der sprichwörtlichen Suche nach der Stecknadel in einem Heuhaufen, und der Reformprozess „Synodaler Weg“ ist längst zu Theologengezänk verkommen. Doch vielleicht braucht es einen Bruch mit der Vergangenheit in Gestalt einer Kirche, die nicht die Kraft gefunden hat, den Weg der Wahrheit und damit auch der Versöhnung zu beschreiten.“