(Lesezeit 4 Minuten) Udo Steinbach, der bekannte Islamforscher, hat jetzt in einem Vortrag in Berlin das Fehlen Europas in Nahost und in Nordafrika beklagt. Einerseits sei das europäische Demokratiemodell attraktiv, sagte er bei einer Vortragsveranstaltung der Maecenata-Stiftung. Tatsächlich würden die Menschen auf den Straßen von Teheran bis Algier darum kämpfen, mehr Mitbestimmung in ihren Staaten zu erlangen. Demokratie dieser oder jener Art sei ihr Ziel. Andererseits helfe Europa dabei aber kaum. Es habe sich abgewandt oder verstricke sich jämmerlich – so im Konflikt der Israelis mit den Palästinensern.
Als Europa im syrischen Bürgerkrieg eine Chance gehabt hätte, den demokratischen Kräften gegen das Regime aktiv zur Seite zu stehen als das Assad-Regime wankte, sei es bei Parolen geblieben. Und so hätten sich Moskau, Ankara und Teheran in dem Vakuum breitgemacht und sorgten nun für die Restauration.
Wenn Europa einmal aktiv sei – wie in Libyen, dann schade es auch noch der Region, sagte Steinbach, weil es zerstritten auftrete. Während die Italiener mit ihren alten und engen Verbindungen zu Tripolis die dort von den Vereinten Nationen getragene Übergangsregierung unterstützen, setzt sich Frankreich für die Milizen eines Generals aus dem Osten Libyens ein, dessen Truppen versuchen, Tripolis einzunehmen. Bisher vergeblich. Rom hat als frühere Kolonialmacht in Libyen die besten Karten; gewiss ist es auch an Öl interessiert, wie Paris. In so einem Fall wäre es gut, wenn Paris und Rom zunächst einmal einen gemeinsamen Weg fänden. Und warum greift Berlin hier nicht ein und vermittelt?
So inaktiv oder zerstritten habe Europa alle Attraktivität verloren und sei kaum mehr glaubwürdig, meinte Steinbach. Für Deutschland besonders schmerzlich, sei seine Rolle im israelisch-palästinensischen Konflikt. Deutschland und Israel sind nicht nur durch historische Bande miteinander verknüpft. Beide Nationen teilen in die Zukunft gerichtete gemeinsame Interessen zwischen zwei Demokratien; und so gehört es zur deutschen Staatsräson, bei Krieg und Terror auf der Seite Israels zu stehen, das von Gegnern umgeben ist.
Deutschland habe sich aber einst mit einem demokratischen Israel verbunden, in dem der Rechtsstaat auch für Araber gilt; so wie es lange gewesen ist. Die gerade wieder gewählte Regierung Netanjahu aber gehe einen anderen Weg, sagte Steinbach. Wären die Palästinenser fähig, einen Staat aufzubauen, dann wäre der Nahe Osten wohl nicht in einer so verfahrenen Lage wie heute. Nun aber setzen die Terroristen des Dschihad und der Hamas Israel mit immer neuen Raketen-Attacken aus dem Gazastreifen unter Druck.
Die Islamisten wollen Israel in einen Bodenkrieg in den Gaza-Streifen hineinziehen, um es „schuldig“ zu machen. Möglichst viele Tote aus israelischer Waffe ließen die Islamisten bei ihresgleichen gut dastehen. Diesen Zynikern ist ihre eigene Bevölkerung egal; und diese etwa zwei Millionen, von denen viele noch niemals diesen kleinen Streifen Land verlassen konnten, leben in erbärmlichsten Umständen: ohne Arbeit, mit versalzenem Wasser und oft ohne Strom. Seit einer Generation hinter Zäunen.
Schuld daran ist der palästinensische Terror. Gleichwohl trägt Israel Verantwortung für die Bevölkerung im Gaza-Streifen. In seinem Vortrag blieb Steinbach die Antwort darauf schuldig, was da nun Deutschland tun könnte. Fest steht nur, dass da eine Zeitbombe tickt: Zwei Millionen verzweifelter Menschen…