Evangelische müssen Katholiken helfen – “Ein Kelch für zwei” am Jakobsbrunnen auf dem Kirchentag

(Lesezeit 4 Minuten) Auch auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund ist das Buch „Ein Kelch für zwei“ vorgestellt worden. Christian Weisner von der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ lud mich dazu an den „Jakobsbrunnen“ in die Halle 8 ein. Dort steht dieser Tage tatsächlich ein Gefäß mit Wasser von der Größe eines kleinen Brunnens; vorgetäuschtes Mauerwerk an der Außenseite. Vielfach wird in der Bibel von solchen Brunnen berichtet. Sie stehen meist vor dem bronzezeitlichen Stadttor, wo Karawanen rasten und neue Geschäftsbeziehungen genauso angeknüpft werden wie private Bande. Von Gott gesegnet ist der, der dann dort für einen Fremden Wasser schöpft und dem Reisenden zu trinken gibt. Jakob wiederum steht für den biblischen Sohn des Issak und der Rebekka, der mit der Wahrheit und so mit Gott ringt.
So dramatisch ging es am Dortmunder Jakobsbrunnen auf dem Kirchentag nicht zu. Vielmehr wollten die vielen interessierten Zuhörer wissen, warum gerade ein evangelischer Christ ein Buch herausgibt, in dem vor allem Katholiken ihr Leid darüber verbreiten, dass es immer noch nicht selbstverständlich ist, dass evangelische an der Eucharistie ihres katholischen Ehepartners teilnehmen können. Tatsächlich ist das vornehmlich ein katholisches Thema: Die katholische Kirche muss – nach der vagen „Orientierungshilfe“ der Deutschen Bischöfe – endlich grundsätzlich den Weg dazu frei machen, so wie es der Papst schon im November 2015 in der lutherischen Christuskirche von Rom sagte.
Franziskus nutzte damals nicht ohne Grund diese Kirche der Reformation für das Geschenk eines Abendmahlskelches und der Patene. Für ihn besteht Ökumene nämlich darin, dass Evangelische und Katholische gemeinsam, gleichberechtigt Seite an Seite für mehr Gemeinsamkeit und so auch für die eucharistische Gastfreundschaft eintreten. Wir müssen einander auf dem Weg zu mehr Gemeinsamkeit tatkräftig unterstützen.
Wenn man die katholische Kirchenführung alleine machen lasse, dann werde wohl nie etwas daraus, sagte dann auch eine Teilnehmerin beim Gespräch, die erst vor kurzem die schmerzhafte Erfahrung machen musste, dass bei einer Messe die Evangelischen ausdrücklich von der Kommunion ausgeschlossen wurden. Das aber geht gar nicht. Kein Geistlicher darf jemanden ausschließen, der das „dringende Verlangen“ hat, an der Eucharistie teilzunehmen und der darum nach Prüfung seines Gewissens auch „Ja und Amen“ zum eucharistischen Hochgebet gesagt hat, zitierte ich den Beitrag von Ex-Kurienkardinal Walter Kasper in dem Buch “Ein Kelch für zwei“.
Der Papst hatte 2015 mit Paulus gepredigt: „Eine Taufe, ein Glaube, betet zum Herrn und geht voran.“ Bei Paulus und aus dem Evangelium lassen sich keine Beschränkungen bei der Teilnahme am Abendmahl herauslesen; wohl aber wird da deutlich, dass eine Kirche nicht die Barrieren aufbauen kann. Einzig Jesus könnte das tun; er allein ist schließlich Gastgeber bei einem jeden Abendmahl. Darum wenden zum Beispiel lutherische Geistliche, anders als katholische Priester bei der Feier nicht dem Altar ihren Rücken zu. Vielmehr versammelt sich die Gemeinde um diesen Altar, mithin um Jesu Kreuz darauf und erinnert quasi im Beisein des Auferstandenen an Christi Geschenk für seine Gläubigen. Auf diese Gastgeberrolle weist in dem „Kelch für zwei“ Jesuit Wucherpfennig aus Frankfurt hin, während der katholische Theologe Thönissen aus Paderborn in seinem Beitrag deutlich macht, dass Luther offenbar weit katholischer war als die katholische Kirche seiner Zeit; weswegen Katholiken und Evangelische weiterhin viel von Martin Luther lernen können.
So wurde am Jakobsbrunnen von Dortmund deutlich, dass dieses Buch vom „Kelch für zwei“ viele von den Steinen ausbreitet und beschreibt, aus denen eine ökumenische Brücke zu mehr Gastfreundschaft am Altar gebaut werden könnte. Freilich muss man diese Brücke auch wollen; und es drängt auch; denn sonst gibt es nur negative Nachrichten aus der Kirche, die vom Missbrauchsskandal und vom Klerikalismus heimgesucht wird, was die Kirche an den gesellschaftlichen Rand treibt. Dennoch will sich der katholische Klerus nicht drängen lassen; und die evangelische Kirchenführung wartet ab.
Papst Franziskus hatte wohl gehofft, im Lande der Kirchenspaltung werde die wichtige Hürde leicht genommen; bei so vielen gebildeten Theologen und einem so unruhigen Kirchenvolk! Doch das ist leider nicht der Fall. Vielmehr richtet der Papst nun sein Auge auf die Sonderversammlung der Bischofssynode im Herbst in Amazonien auf seinen südamerikanischen Heimatkontinent. Aus dem dortigen Regenwald, mithin vom anderen Ende der Welt hofft er nun auf frischen Wind auch für die Kirchen in Europa.