(Lesezeit 2 Minuten) Das Tagebuch ist nach viel Arbeit und Mühen endlich im Druck. In einem Monat, Anfang April wird Werner von Kieckebusch der Welt erzählen können, was sich in den letzten Tagen des Krieges im April 1945 in Potsdam ereignete und wie er mit seiner Frau bis Weihnachten 1946 den Übergang von der Diktatur des Nationalsozialismus‘ in die des SED-Kommunismus‘ erlebte. Die bisher nur in der Familie gelesenen Tagebücher werden nämlich endlich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Und diese Lektüre voller Spannung, Trauer und Witz hat es in sich.
Zunächst bedrohten noch Bomben und Granaten das Leben in der Jägerallee; dann gab es zwar „nur“ noch vermeintliche Werwolfaktionen, aber ein wirklicher Frieden wollte sich in der Besatzung durch die Sowjetarmee nicht einstellen. „Ich traue dem Frieden nicht“, titelte darum der Herder-Verlag das Tagebuch des Urgroßvaters meiner Frau Christiane, das genau 75 Jahre nach Kriegsende veröffentlicht wird, um ein wichtiges Kapitel deutscher Geschichte aus nächster Nähe nachlesbar zu machen.
Das Schicksal der Eheleute Kieckebusch steht für das Los einer ganzen Generation in diesem Ausnahmezustand des 20. Jahrhunderts. Sie erlebte nach dem ersten Weltkrieg (1914 – 1918), den wirtschaftlichen Wirren der Weimarer Republik, nach zwölf Jahren Nazidiktatur und Weltkrieg am 8. Mai 1945 zwar die Befreiung vom braunen Terror und die Kapitulation Deutschlands, aber sie sah sich trotz Waffenstillstand weiter auf wankendem Boden; vor allem in Potsdam und in der sowjetischen Besatzungszone, die schon wenige Wochen nach Kriegsende einen anderen Weg einschlug als die westlichen Zonen: neuer Meinungsterror, schlechtere Versorgung, ein anhaltender Exodus der Menschen.
Im Potsdamer Schloss Cecilienhof regelten die Sieger Stalin, Truman und Churchill – unweit der Kieckebusch-Wohnung in der Jägerallee – im August 1945 die politische und geographische Nachkriegsordnung Deutschlands, das bis zum Fall der Mauer am 9. November 1989 brutal in Ost und West getrennt wurde sowie seine russisch wie polnisch besetzten Gebiete verlor. Tag für Tag schrieb Werner v. Kieckebusch die Geschehnisse in seiner Umgebung auf, das trostlose Bangen um den Sohn Burkard, nachdem der ältere Hubertus gefallen war; die Konfiszierung der Wohnung; die Bergung eines erschossenen Soldaten aus dem Wannsee, der Doppelmord beim Hauswart in der Kellerwohnung, usw.
(Werner von Kieckebusch, „Ich traue dem Frieden nicht“ – Leben zwischen zwei Diktaturen 1945 – 1946; hrg. Von Jörg Bremer, Herder-Verlag, April 2020)