Amazonas-Synode – eine eigene Liturgie ohne zölibatär lebende Priester?

(Vier Leseminuten) In wenigen Tagen endet am 27. Oktober die Amazonas-Synode in Rom. 185 Synodenväter werden dann fast einen gesamten Monat lang über „neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie im Amazonasgebiet“ beraten haben. Das war bisweilen harte Arbeit, bei der die traditionellen Ornate der Kardinäle und Bischöfe mit ihren blutroten oder violetten Knöpfen abgelegt wurden. Die Geistlichen erschienen stattdessen im schlichten schwarzen „Clergyman“-Anzug ohne Rangunterschied, um gemeinsam den synodalen Weg zu gehen. Papstkritische Medien versuchten vor allem im Internet, die Synode immer wieder mit Konflikten auszumalen; – nach dem Motto: der Amazonas unterspült die Kirche. Es gab auch einen Gegensatz zwischen eher beharrenden Kräften in einer Kurie der Theologen und den südamerikanischen Hirten aus dem Amazonas, aber ein besonders spannender Kompromissvorschlag der Öffnung zur Pastoral kam dann gerade aus der Kurie und nicht vom Amazonas. Er würde den Zölibat aushebeln.
Insgesamt war diese Regionalsynode keine Revolution; sie fügte sich vielmehr in die Geschichte der Kirche vom theologischen Armutsstreit im Mittelalter bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil ein und setzte dabei Schwerpunkte, wie sie auch Papst Franziskus setzen würde. Der hielt sich zumindest nach außen zurück und hörte nur zu. Dabei sieht sich der Bischof von Rom in der Tradition des „Poverello“, des heiligen Franziskus von Assisi und stellt sein Pontifikat unter das Motto, dass der Mensch als Teil der Schöpfung für ihren Erhalt hauptverantwortlich sei. Zudem wünscht Franziskus „eine arme Kirche für die Armen“.
Diesen Vorsätzen haben sich jetzt auch einige Synodenväter in Rom verpflichtet, als sie den „Katakombenpakt“ vom Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965 erneuerten. Damals traf man sich in der römischen Domitilla-Katakombe und griff das Leitwort von Johannes XXIII auf. Schon jener Konzilspapst hatte sich nämlich eine „Kirche der Armen“ gewünscht. Etwa 500 Bischöfe beschlossen seinerzeit für eine „dienenden und armen Kirche“ einzustehen und verpflichteten sich, “so leben, wie die Menschen um uns her üblicherweise leben, im Hinblick auf Wohnung, Essen, Verkehrsmittel” Sie forderten den Verzicht, “als Reiche zu erscheinen sowie auch wirklich reich zu sein”, insbesondere in Amtskleidung und Insignien. Auch lehnten sie es ab, weiterhin “mit Titeln angesprochen zu werden, die gesellschaftliche Bedeutung oder Macht zum Ausdruck bringen (Eminenz, Exzellenz, Monsignore …)”, sondern wollten nur noch als “Padre” angeredet werden. Ausdrücklich verpflichteten sie sich zum “Dienst an wirtschaftlich Bedrängten, Benachteiligten und Unterentwickelten”.
Am vergangenen Sonntag wurde nun 54 Jahre später am selben Platz der zweite Katakombenpakt „für das gemeinsame Haus“ geschlossen. Darin erneuerten die Bischöfe den ersten Pakt und verpflichteten sich zudem zum Schutz Amazoniens und seiner Bewohner, zu einer respektvollen Verkündigung des Evangeliums, einer synodalen Kirche unter Beteiligung und Mitverantwortung von Laien und dabei vor allem der Frauen. Nach dem neuen Pakt wollen die Unterzeichner, gemäß der Franziskus-Enzyklika “Laudato si”, soziale, kulturelle und ökologische Anliegen vernetzt angehen. Der brasilianische Kardinal Claudio Hummes, Generalrelator der Amazonassynode, mahnte – auch im Sinne von Franziskus – seine Mitbrüder zu einem konkret gelebten Zeugnis und zu Gebet.
Gewiss, in der katholischen Kirche – vor allem in Nordamerika – gibt es noch Klima-Leugner, und vielen Geistlichen mag die geschlossene „Dignität der Theologie“ (Kardinal Meisner) wichtiger sein als die Evangelisierung; aber diese Gruppe der Verstockten war auf der Synode kaum zu hören. Vielmehr gelang es offenbar den Hirten aus Südamerika, die westliche Welt von den Besonderheiten der Kirche am Amazonas zu überzeugen. Gewiss gebe es in Europa auch einen gewissen Priestermangel, hieß es, aber dass fünfundneunzig Prozent der Toten in einer Diözese ohne die Totensalbung sterben müssten, das gebe es in Europa gewiss nicht, wohl aber in Amazonien. Das in manch abgelegenen Gegenden „Kapellen“ ohne Altar stehen, weil es eh keine Eucharistie gebe, das könne man sich in Europa gewiss auch nicht vorstellen. Geistliche – wie der aus im Salzburger Land stammende Bischof Erwin Kräutler – wurden bei der Synode nicht müde, von dem „sakramentalen Hunger“ ihrer Gemeinden ohne Priester am Amazonas zu sprechen.
Wenn man aber diesen Hunger aber stillen wolle, komme man nicht an der Frage von Ämtern und Sakramenten vorbei, hieß es letztlich in großer Mehrheit. Viele Reformer möge sich nun wünschen, dass endlich auch Frauen Sakramente spenden dürfen. So ein Passus wird aber wohl im nachsynodalen Schreiben des Papstes, der die Synode zusammenfassen dürfte, fehlen. Womöglich umgehend der Papst auch ein anderes heißes Eisen und schreibt nichts ausdrücklich zum Zölibat, auch wenn es genau darum geht, wenn einige Kuriale mit dem Vorstoß an die Öffentlichkeit traten, neben den bisher 23 katholischen Liturgien eine „Amazonas-Liturgie“ hinzuzufügen.
So ein Amazonas-Ritus könne die Inkulturation des Christentums in Amazonien verbessern, meinte vergangene Woche Kurienerzbischof Rino Fisichella. Der neue Ritus, ähnlich dem orientalisch-katholischer Kirchen, sei „ein konkreter Vorschlag“, die „Kirche mit amazonischem Antlitz sichtbar und spürbar zu machen“, sagte er. Dabei soll offenbar bei „disziplinarischen Fragen“ neu gedacht werden. Diese Umschreibung ist ein kreativer Umweg, um die Zölibats-Frage zu umgehen. Oder anders ausgedrückt: Nach diesem Vorschlag sollen in Zukunft am Amazonas nicht mehr nur zölibatär lebende Priester die Eucharistie spenden dürfen. Fisichellas Vorschlag stammt aus einer Arbeitsgruppe, in der viele Kuriengeistliche saßen. Gemeinhin gilt die Kurie als papstkritisch. Aber diese Idee einer eigenen Amazonas-Liturgie dürfte Papst Franziskus gefallen. (jöb.)