(Lesezeit zwei Minuten) Gewiss war es für Bulgari eine größere Werbung als für Ennio Morricone. Exclusiv und angemessen wirkte es aber für beide Parteien, als sich 2016 das höchst feine Juwelengeschäft in der Via Condotti für einen kleinen Kreis von Kulturreportern öffnete, um bei Prosecco und Häppchen mit dem Komponisten Morricone den zweiten Oscar zu feiern, den er gerade für die Filmmusik zu The Hateful Eight erhalten hatte. Damals schon war der in Italien wohl bekannteste Komponist ein gebrechlich wirkender Herr mit Stock, dem man über die Stufen in den hinteren Ausstellungsraum für die kostbarsten Schmuckstücke helfen musste.
Zu dem alten zierlichen Mann mit der schwarzgeränderten Brille schien seine jüngste kraftvoll erscheinende Filmmusik nicht mehr zu passen. Offenbar hatte sich darum auch Morricone selbst bei diesem Filmauftrag von Regisseur und Drehbuchautor Quentin Tarantino nicht mehr so wohl gefühlt. Aber er habe einfach nicht absagen können, sagte Morricone, als der ihn wiederholt gebeten habe. Zum einen hatten Tarantino und Morricone schon so oft und erfolgreich kooperiert. Zudem passte dieser Film in die allgemeine Vorstellung von diesem Komponisten: Vor einem beginnenden Schneesturm fliehen Banditen, Mörder und andere Menschen in einen entlegenen Gasthof in Wyoming, in dem dann natürlich das wechselvolle Leben zuschlägt und bei dieser Gästeschar geradezu zu Gewalt und Tod führen muss. Das klang noch einmal so wie bei Morricones erstem Welterfolg 1968 mit der Musik zum Italowestern „Spiel mir das Lied vom Tod“ von Sergio Leone.
Aber diese Vorstellung ist ein Klischee; denn von den etwa 500 Filmen, für die Morricone die Musik komponierte, können nur etwa 30 als Western bezeichnet werden. In der Tat, in den neunziger Jahren komponierte Morricone im Jahr für etwa 15 Filme die Musik. Er war also ausgesprochen aktiv. Aber Morricone schrieb zudem auch Kammermusik für Solisten, Kantaten und Messen, die mit zu seinem Lebenswerk gehörten, für das er 2007 den ersten Oscar erhielt. Er habe sich nie damit abfinden können, dass er für seine Filmmusiken allein bekannt sei, sagte Morricone so auch den Reportern. Er habe nicht nur ein großes Interesse an moderner Musik und seine Beiträge dazu geleistet, über die Jahre habe er auch mehrere Orchester dirigiert. Und dann berichtete er über seine Leidenschaft für barocke Musik, vor allem für den „alle überstrahlenden“ Johann Sebastian Bach und setzte dessen Kompositionskunst gegenüber der von Ludwig van Beethoven ab. Ihm sei es bei seiner Arbeit oft darum gegangen, die Emotionalität in den Melodien herauszuarbeiten, erklärte der Komponist.
Morricone brauchte keine große Bühne. Der Römer, der am weltbekannten Konservatorium der Santa Cecilia in seiner Stadt Trompete und Chormusik studiert hatte, arbeitete zuhause, im Schutze seiner Frau und seiner drei Kinder. Es zog ihn auch trotz vieler Einladungen nie nach Hollywood. Er „gehört wie Bulgari zu dieser Stadt“, meinte darum auch der Sprecher von Bulgari. Tatsächlich verehren die Römer ihren Weltstar, der sich vor einigen Tagen einen Oberschenkelhalsbruch zuzog und heute – am 6. Juli 2020 – im Alter von 91 Jahren starb.