(Vier Leseminuten)Vielen wird es schwerfallen, dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump einen Erfolg zu gönnen. Tatsächlich aber ist die Ankündigung eines kompletten Friedensabkommens zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten zwar nicht historisch, wohl aber ein wichtiger Schritt zur Normalisierung der Beziehungen im Nahen Osten. Es war der Schwiegersohn Jared Kushner, der die insgesamt schon locker hängenden Fäden mit Fortune und ohne größeren Druck jetzt zu einem Knoten verknüpft hat. Das ist allerdings relativ leicht, wenn in einem bestimmten historischen Moment die politischen Interessen verschiedener Partner so übereinstimmen.
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind immer schon Israel gegenüber zugeneigter gewesen als andere arabische Staaten. Schon gibt es geregelte Wirtschaftskontakte; 2018 wurde dann bei den Judoweltmeisterschaften in Abu Dhabi erstmals die israelische Hymne gespielt, was die arabische Welt in Schockstarre versetzte. Dass die Sache schon etwas länger eingefädelt wurde, könnte man daraus schließen, dass im Januar in Washington ein Vertreter der Emirate im Publikum saß, als Präsident Trump den Friedensplan für den Nahen Osten verkündete. In Zeiten, in denen Ölstaaten nicht mehr allein auf Öl setzen können, müssen neue Verbindungen geknüpft werden. Bei High-Tec bietet sich Israel immer an. Schließlich trifft auch für Abu Dhabi zu, was alle sunnitischen Staaten eint. Sie haben gemeinsam Angst vor den expansiv operierenden Schiiten der Mullahs in Iran. Von Teheran über Bagdad und von Damaskus bis Beirut versucht Iran seinen Einfluss zu vergrößern. So bedrängt, bietet letztlich allein Israel einen Schutz, nicht zuletzt mit seiner Atomwaffe. Diesen Schutz genießt jetzt offenbar schon Jordanien; verlockend auch für andere.
Für Israel ist die Vereinbarung auch ein Erfolg. Vor allem Ministerpräsident „Bibi“ Netanjahu, der sich von Korruptionsprozessen bedrängt und in einer ungeliebten Großen Koalition gefesselt, ein wenig Freiraum schaffen kann. Ein Friedensschluss mit einem wichtigen arabischen Nachbarstaat ist überdies wichtiger als die Annexion von einigen tausend Dunam im Jordangraben. Schon jetzt kontrolliert Israel ja das gesamte Land; bei einer Annexion käme es nur zu Mehrausgaben für die lästigen Araber in dem annektierten Gebiet. Die radikalen Siedler mögen jetzt schimpfen, aber die große Koalition von Netanjahus Likud und Blau-Weiß braucht deren Applaus nicht. Zudem ist die Annexion ja nur aufgeschoben, wie es heißt.
Da freilich der Koalitionspartner Blau-Weiß nur in Grenzen Plänen begeistert war, könnte es dazu kommen, dass die Annexion gänzlich aufgegeben wird. Sie ist nämlich letztlich eine antizionistische Maßnahme und könnte die Existenz des Staates Israel bedrohen. Israel braucht eine mehrheitlich jüdische Bevölkerung in sicheren Grenzen. Schon jetzt aber gehören 20 % der Bürger zur arabischen Minderheit. Von ihnen wird – gegen die eigene Identität – das Bekenntnis zum jüdischen Staat verlangt. Das widerspricht der Demokratie. Je mehr Araber Israel annektiert, desto stärker schlägt auch das demographische Pendel gegen Israel aus. Mit Blick auf Demokratie und Demographie verbieten sich mithin weitere Annexion. Das hatte schon Ministerpräsident Ariel Sharon gesehen; vielleicht hat auch Netanjahu das jetzt gelernt.
Nach außen schimpfen in ihrer Reaktion auf das geplante Abkommen die Palästinenser: „Israel ist dafür belohnt worden, dass es nicht offen erklärt, was es seit Beginn der Besatzung ständig illegal tut“, twitterte Hanan Aschrawi, einst wichtigste Sprecherin der palästinensischen Seite. Die islamistische Hamas redet „von einem betrügerischen Stich in den Rücken des palästinensischen Volkes“. Tatsächlich ist die Vereinbarung auf dem ersten Blick wirklich eine bittere Niederlage für Präsident Machmud Abbas, der immer wieder einen eigenen palästinensischen Staat versprochen hatte. Andererseits ist nicht nur Israel dafür verantwortlich, dass es bisher nicht wieder zu bilateralen Gesprächen gekommen ist. Traditionell verweist Ramallah stets auf das Völkerrecht und bewegt sich politisch nicht. Während sich die Oligarchen reichlich bedienen, kann sich die „palästinensische Regierung“ auch nicht rühmen, viel für ihre Bürger zu tun. Allemal ziehen letztlich auch Palästinenser ihren Nutzen aus der Vereinbarung: Die Zwei-Staaten-Lösung kommt seit langem wieder ins Gespräch.
Und Trump? Der amerikanische Präsident wollte die Annexion vor allem, um seinen evangelikalen Block daheim bei der Stange zu halten. Mittlerweile ist die Begeisterung dort nicht mehr so groß. Zudem verbreitet sich das verheerende Covid-Virus so stark, ist die Lage der Wirtschaft so katastrophal ist, dass Trump wenigstens einen Erfolg braucht; wenn auch nur in der Außenpolitik. Nachdem die Liebelei mit Nordkorea nichts brachte; die Spannungen mit China zunehmen und das Verhältnis zu Europa angespannt bleibt, kann man verstehen, dass Trump von einem historischen Durchbruch spricht. Es handele sich um einen bedeutenden Schritt zu einem „friedlicheren, sichereren und wohlhabenderen Nahen Osten“ meinte Trump und nannte die Übereinkunft voller Pathos nach Abraham, dem Vater der Juden, Christen und Muslime. Das klingt wunderbar; bringt aber vermutlich in den USA weder einen Arbeitsplatz zurück noch einen Corona-Kranken von der Beatmungsmaschine. (jöb.)