Werner von Kieckebusch, POTSDAM
…In diesem Moment erschien ein Zivilpolizist, um uns zur Bergung einer Leiche zu holen, die im Heiligen See läge und am Ufer angeschwemmt wäre. So musste ich wohl oder übel mitgehen bis 150 Schritt vor Frau Defroys Wohnung, wo die dick angeschwollene ganz grüne Wasserleiche am Ufer im Wasser lag. Ein Mann von ca. 25–30 Jahren, Schuss in den Kopf durch das linke Auge, nur mit einer langen dünnen Art Drillichhose bekleidet und mit Schürstiefeln mit kaputten Sohlen. Während wir unter Aufsicht des neu hinzugekommenen grässlichen Beamten ein tiefes Loch an der Böschung schippten, kam Frau Defoy an uns heran, erkannte mich und wollte mit mir sprechen, wurde aber von dem Polizisten fortgejagt, worauf sie erklärte, sie wäre weiß Gott nicht aus Neugierde hier, sondern suche ihren Mann, der seit dem Russeneinmarsch verschwunden sei, in Breeches und langen Stiefeln etc. »Dann sehen Sie sich die Leiche an! Ist es nicht Ihr Mann, dann wird er wohl erschossen woanders liegen!« Nach diesen freundlichen Worten trat Frau Defoy zurück und wartete. Als wir die Leiche an einem Draht aus dem Wasser geholt hatten, konnte ich ihr sagen, dass es sich nicht um ihren Mann handeln würde. Ich sehe jetzt noch die so schwermütigen Augen der armen Frau vor mir. Als wir dann das Grab zuschippten, ging dem Polizisten meine Arbeit nicht schnell genug. »Alter Mann, der nur die Arbeit der anderen aufhält, wir sind jetzt nicht mehr im Dritten Reich unter den Nazischweinen« etc. bekam ich zu hören. Morgen würde ich zur Straßenreinigung eingesetzt. Der Hitlerjunge steckte ein Heckenröschen auf das Kopfende des Grabes.
“Ich traue dem Frieden nicht” – Herder-Verlag, Freiburg, 2020