Der durch seinen Korruptionsskandal richterlich bedrängte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lenkt ein, und die Tore der Grabes- und Auferstehungskirche in Jerusalem sind seit Mittwoch vier Uhr in der Früh wieder auf – der kirchliche Protest nach drei Tagen fürs erste ausgesetzt. Zuvor hatte Regierungschef Netanyahu seinen Rivalen, den Bürgermeister von Jerusalem Nir Barkat dafür gewinnen können, die beschlossene Erhebung der Grundsteuer „Arnona“ für gewerbliche Unternehmungen der Kirchen auszusetzen. Zudem will „Bibi“ in der Knesset ein Gesetz auf Eis legen, das die Möglichkeit vorsieht, jene Immobilien zu verstaatlichen, die seit 2010 vor allem von der griechisch-orthodoxen Kirche veräußert, wenn nicht verscherbelt wurden. Für die Kirchen ist beides ein Erfolg. Der Druck der weltweiten Öffentlichkeit und der vielen tausend Pilger, die vor der geschlossenen „Anastasis“ gestrandet waren, erwies sich als stärker denn die israelische Innenpolitik; geht es doch Bürgermeister Barkat vor allem darum, den Regierungschef in die Zwickmühle zu nehmen und zu schwächen.
Beachtlich ist auch die Rolle der palästinensischen Autonomiebehörde, die zu Beginn des Protestes am Sonntag zunächst keine Rolle zu spielen schien. Denn es war Hanna Issa, der Berater von Autonomie-Präsident Mahmud Abbas für christliche Angelegenheiten, der am späten Dienstag in Ramallah mitteilte, die „Anastasis“ werde am Mittwoch wieder öffnen. Das Einfrieren der Steuer-Forderungen und Gesetzes-Pläne sei „ein Sieg“ und “eine Lektion für Israel, nicht mit religiösen Orten herumzuspielen, egal ob sie christlich oder muslimisch sind”, triumphierte der Muslim. Bei Erfolgen gegenüber den Israelis hört man die muslimische Autonomiebehörde häufig; wenn es aber um die Verteidigung palästinensischer Rechte geht – seltener.
Im Büro des Ministerpräsidenten hieß es, Israel wolle nun mit allen Beteiligten verhandeln. Bürgermeister Barkat habe sich mit Netanjahu in der Steuerfrage darauf geeinigt, mit den betreffenden Ministerien eine Lösung zu erarbeiten und darüber mit den Kirchen zu sprechen. Es gehe nicht es um Grundabgaben für Kirchengebäude sondern um kirchliche Gewerbebetriebe, wie zum Beispiel Hotels und Restaurants. Seit Anfang der Neunzigerjahre wird freilich schon über dieses Thema zwischen dem Heiligen Stuhl in Rom – als dem Wortführer der Kirchen in Jerusalem – und dem Staat Israel verhandelt. Im Grundsatz gestehen mittlerweile alle Kirchen zu, dass der Staat Steuern für gewerbliches Handeln der Kirchen eintreiben kann.
Allerdings wäre das ein Bruch des bisherigen „status quo“, der seit der osmanischen Zeit -, die mit dem ersten Weltkrieg 1918 endete, – alle Kirchen und ihr Handeln von jeglicher Steuerpflicht befreit. Doch schon die Anglikaner bezahlen seit einigen Jahren die „Arnona“; und in den letzten Verhandlungsrunden ging‘s nur noch um Details; nicht zuletzt um den Zeitpunkt, von dem an diese Steuer erhoben werden solle. Die sich notorischen Geldnot befindende Stadt Jerusalem hofft auf gut 150 Millionen Euro.
Völlig überraschend hatten die drei Kirchenführer, der griechisch-orthodoxe und der armenische Patriarch sowie der franziskanische Chef der Kustodie am Sonntag aus Protest gegen die städtische Steuerpolitik das mittelalterliche Tor der Anastasis verrammelt. Auch die drei kleinen Denominationen in dieser Kirche, die Kopten, Syrer und Äthiopier schlossen sich an; denn auch sie müssen Steuer fürchten. Jede, noch so kleine Kirche in der Heiligen Stadt hat ihren Gästebetrieb. Selbst der deutsche evangelische Johanniterorden ist von der drohenden Steuer betroffen; unterhält er doch bei der achten Station der Via Dolorosa ein kleines Gästehaus. Die in Jerusalemer Altstadt gelegene Grabes- und Auferstehungskirche, kurz und griechisch Anastais ist die wohl heiligste Stätte des Christentums. Dort soll Jesus gekreuzigt, begraben worden und wiederauferstanden sein. jöb.