(Lesezeit 3 Minuten) Der australische Kardinal George Pell ist kein „Vertrauter“ von Papst Franziskus, auch wenn dies immer wieder geschrieben wird und obwohl Pell zu dem Kardinalsrat (K9) gehört, der den Bischof von Rom bei der Kurienreform berät. Denn Pell versagte in seinem römischen job, versuchte sich stattdessen als theologischer Kritiker seines Chefs und hatte so jedes Vertrauen verspielt, als er im Juli 2017 zurück nach Australien musste.
Pell war von vornherein eine falsche Wahl für die K9. Längst wusste der Papst über die – immerhin seit 2008 kursierenden – Vorwürfe des Kindesmissbrauchs, die den 76 Jahre alten Kardinal in seiner Heimat vor Gericht führen, als er ihn im Frühjahr 2013 zu einem der K9 machte. Schon damals wunderten sich manche über diese Wahl; sie hielten dem Papst aber zugute, dass er mutmaßlich besser über die Vorwürfe gegen Pell Bescheid wusste. Auch war bekannt, dass der Papst einen Vertreter des australischen Kontinents in seinen Rat bekommen wollte; denn alle Kontinente sollten in diesem Gremium vertreten sein. Dabei sprach für Pell, dass er sich 2008 bei der Ausrichtung des ersten Weltjugendtages in Sydney einen Namen gemacht hatte. Nicht zuletzt galt Pell seither als wirtschaftlich und finanziell beschlagen. So war es aus römischen Perspektive konsequent, dass Franziskus im Februar 2014 den Australier zum Chef des neu geschaffenen Sekretariats für die Wirtschaft machte.
Pell sollte bei den Finanzen im Vatikan aufräumen und für mehr Transparenz sorgen. Franziskus hoffte, mit dem Image des „starken Mannes“ werde Pell das gelingen; schließlich hatte Pell einmal professionell Football gespielt. Stattdessen aber kam Pell nicht weit über das hinaus, was Benedikt XVI. schon bei der Säuberung der Vatikanbank (IOR) begonnen hatte. Er scheiterte vor allem bei der Einordnung von APSA, der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls (Administratio Patrimonii Sedis Apostolicae) die viel größer ist als die IOR, denn sie versieht die Aufgaben des Schatzamtes und der Zentralbank. Mit seinem bisweilen ruppigen und machtversessenen Auftreten, seinen teilweisen anmaßenden Briefen in die vatikanische und italienische Finanzwelt hinein, machte sich der Australier von vorn herein Feinde. Er fand sich nie im fein gesponnenen Netz italienischer Banker und Bischöfe zurecht. Tatsächlich sollte er ja auch ihre Korruption und Vetternwirtschaft bekämpfen, aber dafür hätte er das „italienische System“ wenigstens begreifen müssen; aber das gelang Pell nicht.
Wie eine Bombe schlug im Juni 2017 die Entlassung des päpstlichen Rechnungsprüfers Libero Milone ein, der den neu geschaffenen Posten erst zwei Jahre zuvor als angesehener Fachmann besetzt hatte. Er sollte unter Pell bei der Aufklärung der Finanzströme helfen, stieß aber auf Widerstände ohne Ende. Eine Intrige brachte ihn zu Fall, vor der ihn Pell offenbar nicht hatte schützen können oder wollen. Schon bald nach Dienstantritt 2015 waren Daten aus Milones Dienstcomputer entwendet worden; und die Vatikan-Gendarmerie deckte einen Machtkampf um die Finanzreformen auf, der als “Vatileaks II” bekannt wurde und weiter schwelt. Bis heute will sich APSA nicht einordnen und dem Sekretariat für Wirtschaft sowie dem vatikanischen Staatssekretariat Rechenschaft ablegen. Mithin war der „starke Mann“ Pell gescheitert, als ihn seine australische Vergangenheit in Rom einholte.
Allemal halfen ihm Ungeschicklichkeiten nicht: so sein wenig kollegiales Auftreten im Kreis der römischen Bischöfe. Man legte Pell auch zur Last, dass er erster Klasse fliegt, während seine Mitarbeiter hinten im Flugzeug sitzen müssten. Schließlich, und das dürfte Franziskus vor allem gestört haben, gesellte er sich zu der Gruppe jener Kardinäle, die den Bischof von Rom theologisch kritisieren.
Als Pell im Juli 2017 Rom verlassen musste, um sich Anhörungen in seiner Heimat zu stellen, ließ Pell auch seinen Posten als Kassenwart des Papstes ruhen. Seit damals rechnete in Rom niemand damit, dass Pell an die Kurie zurückkehren würde. Solidaritätsbekundungen aus der Kurie sind seither rar. Er ist im Vatikan längst fallen gelassen worden. Gewiss ist es Franziskus nicht unlieb, dass er diesen erfolglosen Banker und Kritiker loswurde. Schlimm aber ist, dass die Kurie bei der Reform der Finanzen nicht vorankommt; und noch schlimmer, dass sich Franziskus neuerlich vor dem Vorwurf verteidigen muss, er gehe bei Kindesmissbrauch nicht hart genug vor. Er hätte – wie bei der Kirche in Chile und andernorts – auch bei Pell schon „von vornherein“ hellhörig sein müssen. Pell war nie ein guter Ratgeber und Vertrauter von Papst Franziskus sondern ein Klotz am Bein; und womöglich zugleich ein Beispiel dafür, dass Papst Franziskus bei seinem Personal mit Kritik nicht zurückhält wohl aber bei der Auswahl mit Menschenkenntnis nicht gesegnet ist. jöb.