Roms Regierung mußte platzen – nun müssen Fachleute ran

(Lesezeit fünf Minuten) Allein der Wille zur Macht hielt die linkspopulistische Bewegung der „Fünf Sterne“ mit der rechtsnationalistischen „Lega“ seit Juni 2018 in Italiens Regierung zusammen. Inhaltlich haben beide Bewegungen kaum Schnittmengen. Darum trennen sich jetzt auch die Wege. Dabei wird es die Lega schwerer haben als erwartet. Denn der Staatspräsident hat bei der Auflösung des Parlaments und beim Ausrufen von Neuwahlen das Wort. Der aber denkt nicht an die Macht einer Partei sondern an Italiens Sicherheit. Die verlangt nun eine Regierung der Experten.
——————————-
Die Lega von Matteo Salvini vertritt vor allem den unteren norditalienischen Mittelstand, der möglichst wenig mit dem Staat in Rom zu tun haben will. Diese Wähler sind zum einen wirtschaftsliberal – gegen eine harte Steuerpolitik – orientiert. Zum anderen kämpfen sie um ihre wirtschaftlichen Privilegien, die sie durch die Flüchtlinge aus Afrika in Gefahr sehen. Das entscheidende Potenzial der Lega bleibt weiter – dem alten Namen „Lega Nord“ entsprechend – im Norden; so in den Kleinstädten rechts und links vom Po, im Trentino und Aosta-Tal sowie hinab bis in die nordwestliche Toskana, wo bei vielfach schlechten Integrationsbemühungen der Eindruck entsteht, die „Schwarzen“ bedrohten das soziale Netz.
Statistisch lässt sich diese Gefahr nicht belegen. Die Zahl der Flüchtlinge – meist aus den Regionen der Subsahara – ist längst nicht so hoch wie in anderen Regionen Europas. Doch erst 2016 begann Italien ernsthaft, Flüchtlinge nicht nur nach Norden über die Alpen „durchzuwinken“ sondern nach EU-Standards aufzunehmen und wohlmöglich zu integrieren. Das brachte auch Erfolge; viele Migranten fanden in der florierenden Wirtschaft des Nordens Arbeitsplätze; aber diese Bemühungen hat Salvini in den vergangenen Monaten wieder teuflisch durchbrochen, so dass sich die Lage der Migranten wieder verschlechtert, was sich auf den Straßen mit „schwarzen Massen zeigt“ und Salvinis Wahlkampf beflügelt.
Salvinis Lega ist mittlerweile die älteste Partei in Italien, die ihr vormaliger Parteichef Umberto Bossi in einen tiefen Korruptionsskandal riss, der sie jetzt mit Millionenzahlungen belastet. Vieles spricht dafür, dass die Korruption der alten Tage weiterwirkt. Unverhohlen wird die Partei auch von Putins Russland unterstützt, was immer mal wieder an die Öffentlichkeit kommt, aber die Wähler wenig zu beeindrucken scheint. Mit dieser russischen Macht im Rücken ist die Partei weniger national orientiert als vor allem darauf ausgerichtet, im Konzert der anderen EU-Feinde die europäische Gemeinschaft zu schwächen. Italien ist aber eine EU-Gründungsmacht. Bisher will die Mehrheit der Italiener Europa.
Salvini selber ist ein gerissener Politiker, der gegenüber den anderen „Größen“ in seiner Partei als ein Riese erscheint. Er braucht sich innerhalb der Partei um seine Führung nicht zu scheren und glaubt mittlerweile, ganz Italien sei so wie seine Lega. Das ist aber ist in Italien seit Mussolini ein selbstzerstörerischer Ansatz. Als bisher letzter scheiterte Matteo Renzi an Selbstüberschätzung.
—————————–
Auf der anderen Seite steht die „Bewegung Fünf Sterne“. Sie war mit deutlich mehr Stimmen als die Lega gewählt worden und kann darum jetzt auch im Senat und im Abgeordnetenhaus Absichten von Salvini zu blockieren versuchen.
Diese Bewegung ist vor allem in Süditalien stark und erwuchs generell als die Protestbewegung aus den Kommunen. Sie konnte dort, an die Macht gewählt, vielfach auch alte Netze durchschneiden. Sie war aber, – wie das Beispiel Rom zeigt – bisher kaum irgendwo in der Lage, gute neue Strukturen aufzubauen, – auch nicht gegen die Mafia Capitale in Rom.
Es gibt kaum verbindende politische Ideale innerhalb dieser Bewegung; wohl aber aus den Anfangszeiten ein paar wenige ideologische Pfeiler. Dazu gehört, dass alle in der Lega, selbst in Sizilien – gegen den Bau der Schnellzugstrecke TAV zwischen Lyon und Turin im Norden sind. Wer die Lega – wie Salvini – treffen will, versucht das am besten bei diesem Projekt. Die in Italien schwache Umweltbewegung konzentriert sich auf TAV, wird dabei aber vom schwarzen Block militant unterstützt, was den Lega-Wählern erst recht unsympathisch ist. Für den italienischen Mittelstand der Lega ist TAV ein Muss.
Einst wurde die Protestbewegung von Beppo Grillo zusammengehalten und von einem Internetunternehmen in Mailand finanziert. Die Politiker wurden nicht durch persönliche Vernetzung miteinander zu einer Partei sondern blieben locker über das Internet verbunden. Das spielte in Zeiten des großen Führers und Mentors Grillo und des Protestes unter dem Motto „Leck mich am Arsch“ kaum eine Rolle.
Jetzt aber hat sich der erfolgsgewöhnte Grillo zurückgezogen, die Bewegung soll führen (und nicht mehr prostieren). Sie ist aber führungs- und ziellos. Luigi Di Maio ist als Vizeministerpräsident Salvinis Gegenspieler. Aber er ist stets schwach gewesen. Innerhalb der Bewegung wird er von eher linken Politikern angefeindet. Er hat kaum politische und inhaltliche Kenntnisse. Di Maio ist längst nicht so ausgebufft wie Salvini, längst nicht so schlau und hat sich bei seinen vielen gutgemeinten sozialen Projekten verzettelt, während Salvini auf die Flüchtlings- und Sicherheitspolitik setzt und so ein leichteres Spiel hat.
—————————————-
Salvini und Di Maio erkoren sich Ministerpräsident Guiseppe Conte als ihren Vermittler und Regierungschef. Sie hofften auf eine schwache gefügige Marionette. Nun aber können sie plötzlich nicht mit Conte konnte Schlitten fahren. Der gebildete Ökonom sperrt sich gegen Salvinis Machtpoker. Freilich nicht aus eigener Kraft; denn der Parteilose hat keine politische Gruppe hinter sich. Aber er kann auf die anderen gemäßigten Gruppen im Parlament rechnen und vor allem auf Staatspräsident Sergio Mattarella. Diesem Staatsjuristen sind politische Machtpoker geradezu widerlich. Er hält sich zwar bewusst im Hintergrund aber dürfte längst die Fäden in der Hand halten. Dieser Mann, dessen Bruder einst auf Sizilien von der Mafia getötet wird, denkt an Italiens innere Stabilität und Sicherheit. Für ihn sind weder Salvini noch Di Maio Politiker nach Wunsch. Er wird versuchen, Italien verfassungstreu in eine neue Zeit zu führen.
Wohlmöglich an Wahlen vorbei. Italien wählt gerne, aber seit dem Sturz von Silvio Berlusconi 2011 hat es nur eine kurze Reformphase unter Renzi und seinem Nachfolger Paolo Gentiloni gegeben. Unbeliebte Strukturreformen in Politik, Wirtschafts- und Sozialpolitik, zum Abbau von Bürokratie aber sind – anders als die Geschenkepolitik der populistischen Regierung jetzt – der einzige Ausweg aus Italiens Dauerkrise. Dazu wäre eine Regierung der Fachleute bis zu den nächsten regulären Wahlen am besten.