Trumps US-Botschaft in Jerusalem – Und nun?

(Lesezeit 5 Minuten) West-Jerusalem hat rot-weiß blau geflaggt. Die amerikanischen Farben weisen zusammen mit einem immer wiederkehrenden Schild auf den Straßen auf ein neues Ziel hin: „US Embassy“. Im Osten und im Westen der politisch geteilten Stadt Jerusalem hatte es bisher je ein Generalkonsulat gegeben. Nun hat der amerikanische Präsident Donald Trump eine Ankündigung, die viele seiner Vorgänger schon gemacht hatten, die aber von deren Regierungen stets blockiert worden, in die Tat umgesetzt: 70 Jahre nach der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 erkennen die Vereinigten Staaten von Nordamerika Jerusalem als Hauptstadt Israels an und verwandeln ihr Generalkonsulat an der Agronstr Nr. 18 in eine Botschaft um.
Das Gebäude und der Garten sind viel zu klein; die Geschäfte drum herum wie der Fahrradhändler werden wohl bald aus Sicherheitsgründen ihr Geschäft schließen müssen; aber das ist alles nebensächlich. Trump hat mutmaßlich mehr zum Gefallen seiner konservativen Evangelikalen im Bible-Belt als für die jüdische Gemeinschaft in Amerika einen Schritt beschlossen, der mit einem alten Grundsatz bricht: Erst bei einem Friedensschluss zwischen Israelis und Palästinensern, erst nach einer einvernehmlichen, bilateralen Klärung der Hauptstadtfrage wollte auch die internationale Gemeinschaft nachziehen und ihre Botschaften von Tel Aviv nach Jerusalem ziehen lassen.
Natürlich war immer klar, dass Jerusalem die Hauptstadt des Staates Israel ist. Aber mit dem Verbleib der Botschaften bei der israelischen Regierung in Tel Aviv ließ sich ein gewisser Druck auf die Regierung in Jerusalem ausüben. Mit diesem Druck konnte die internationale Gemeinschaft Israelis und Palästinenser an einen Tisch bringen. Doch das ist in den letzten Jahren – zugegebenermaßen – nicht gelungen. Vielmehr unterhält die israelische Regierung unter Benjamin Netanyahu, der 1996 erstmals Ministerpräsident wurde, den Konflikt stetig mit kleinstem Feuer, so das er kontrollierbar bleibt, aber auch kein Friede riskiert werden muss: In den immer noch besetzten Gebieten werden weiter Siedlungen gebaut. Die Palästinenser, die immerhin 20 Prozent der israelischen Bevölkerung darstellen, sollen nicht nur den Staat Israel anerkennen sondern auch seinen jüdischen Charakter, womit sie sich selber zu Bürgern zweiter Klasse machen würden.
Auf der palästinensischen Seite wiederum halten sich korrupte Eliten an der Macht, die niemals bewiesen haben, dass sie ein Staatswesen unterhalten könnten. Zudem sind sich die säkulare PLO und die Islamisten der Hamas, in den zwischen dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen gespaltenen Land, spinnefeind. Israels ermordeter Ministerpräsident Yitzhak Rabin hatte den Konflikt mit den Palästinensern mir gegenüber noch als „Grundstücksstreit“ bezeichnen können. Zwanzig Jahre später ist er nicht nur nationalistischer sondern auch religiöser geprägt als damals. Das Besatzungsregime der Israelis ist bar jeder demokratischen Legitimität; aber auch in Israel kann das Oberste Gericht nicht mehr die gleichen Rechte für jüdische und arabische Bürger durchsetzen.
In dieser festgefahrenen Lage war der Schritt von Trump, so wenig durchdacht er erscheint und so provokativ er gemeint ist, auch eine Chance. Die EU-Staaten hätten den Ball aufnehmen und selber auch ihre Botschaften nach Jerusalem umziehen lassen können. Freilich mit einer wichtigen Ergänzung: Sie hätten zugleich Ostjerusalem – statt Ramallah – als Hauptstadt der Palästinenser anerkennen und im Ostteil der Stadt ihre Vertretungen bei der Autonomiebehörde ansiedeln können. Dieser Schritt hätte womöglich mit begleitenden Maßnahmen verbunden werden können. Die internationale Gemeinschaft hätte von den Palästinensern Neuwahlen und ein transparentes Regierungssystem verlangen können. Aber zu all dem kam es nicht.
Auch ein anderer Weg wurde nicht eingeschlagen. Viele palästinensische Freunde sind so entsetzt von der unfähigen Autonomieführung, dass sie es für richtig hielten, das Abbas-Regime und zugleich die gesamte Autonomie aufzulösen. Diese Freunde sagen: Sollen doch die Israelis, die ohnedies für die Sicherheit und ihre Siedler in den besetzten Gebieten alles tun, auch wieder Schulen und Krankenhäuser für uns Araber bauen. Sollen doch die Israelis die gesamte Last ihrer Besatzung tragen, fordern diese Palästinenser. Die Auflösung der Autonomie wäre ein Schlag gegen die korrupte PLO-Führung aber auch einer gegen den israelischen Selbstbetrug, sie könnten ohne Lasten ein fremdes Volk besetzen.
Aber zu all dem kommt es nicht. Vielmehr vergessen viele Israelis – allemal an diesem 70. Geburtstag mit den amerikanischen Fahnen in West Jerusalem -, dass Netanyahu und Trump den einzigen Staat der Juden an einen Abgrund treiben. In dem Wahn, dass bronzezeitliche Versprechungen an einen Urvater Abraham über das gesamte Land Kanaan so viel wert sind wie neuzeitliche Grundbücher, wird die Abtrennung der Israelis von den Palästinensern immer schwieriger. Ministerpräsident Ariel Scharon hatte aus der Einsicht in die Demographie den Abzug aus dem Gazastreifen umgesetzt, wo in den Jahren der Besatzung täglich Siedler im palästinensischen Terror starben. Es gebe einfach zu wenigen Neuzuwanderer aus Russland, hatte er mir bei seinem letzten Interview mit der FAZ gesagt und deutete auch einen Abzug aus Gebieten des Westjordanlandes an. Aber ein Gehirnschlag riss ihn aus dem politischen Leben.
Heute müssen dringend kreative Lösungen erdacht werden, um den palästinensisch-israelischen Konflikt zumindest auf lange Sicht einzuhegen, solange ein Frieden unmöglich erscheint. Das ist umso wichtiger in einer Zeit, in der der Nahe Osten im Streit zwischen Schiiten und Sunniten, zwischen Iranern und Saudis brennt. Während sich an diesem Montag West-Jerusalem mit amerikanischen Flaggen ziert und das israelische Militär in Alarmbereitschaft steht, um drohenden Terror zu bekämpfen, schauen allemal die EU-Staaten mit Kopfschütteln zu. Das Kopfschütteln aber reicht zur Sicherung des israelischen Staates nicht. jöb.