Girlanden für die Interalliierte Kommission – POTSDAM, 6. Juni, 1945

In der Gärtnerei malochen – traurige Familiennachrichten – die sowjetische Armee
hinterlässt das Schloss Cecilienhof als “Saustall”

POTSDAM 6. 6. Wie schon gestern, verließen auch heute viele 1000 Russen die
Stadt, da die interalliierte Kommission jetzt hier einziehen wird. Allein
meine Gärtnerei Grötzner soll 1000 m (!!) Girlanden zum Einzug
liefern, hat aber weder Zweige, Draht noch Strippe und gab den Auftrag
weiter. Die Gärtnerei Freyberg will 500 m liefern. Nachts rollten
dauernd russische Autos durch die Jägerallee.
Die Post brachte heute die erste Trauernachricht. Ischy König-Hagen
schrieb uns, dass ihr Mann am 3. durch eine Russenkugel auf
ihrem Besitz Uenze getroffen wurde. »Wir verließen bei Nacht und
Nebel die geliebte Heimat, um herumzuirren u. zu warten, dass Hab
und Gut geplündert werden. Haben nur noch das, was wir tragen. So
weit verregierte man ein Volk mit Lügen u. Pistolen! Brunos Grab im
Garten sah ich noch nicht …«. Der Brief war in Potsdam aufgegeben,
also wohl von Bekannten mitgenommen worden.
Wie wir heute hörten, wurde auch Cecilienhof von den Russen
(GPU) geräumt und als Saustall zurückgelassen. Die schönen Butzenscheiben
in der großen Halle haben sie herausgeschlagen, um mehr
»Licht« zu haben! Aus den schönsten echten Teppichen schnitten sie
Stücke heraus, die sie dann vor den Türen als Fußmatten auslegten.
Erwin Brückner, der nette Gärtnerfreund unserer Jungens, büßte
noch gestern seine Taschenuhr ein. In den schlimmsten Tagen trug er
sie in den Schuhen, beim Einsatz der Sanitäter in der Rettungsstelle
verbarg er sie im Strohsack. Als die schlimmste Klauerei vorüber war,
ließ er sie auf seinem Nachttisch liegen. Seine Frau wollte Müll auf
den Hof tragen, als sich im selben Moment ein Russe durch die Tür
drängte, die ganze Wohnung untersuchte und die Uhr fand! Auf die
Bitte von Frau Brückner, ihr doch die einzige Uhr zu lassen, antwortete
er nur: »Offizier 20 Uhren, ich nur eine!« und verschwand!

(Werner v. Kieckebusch, “Ich traue dem Frieden nicht”, Herder-Verlag)