Italiens Neigung zum Suizid

(5min Lesezeit) Wahlen in Italien am 4. März –
Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat am Mittwochabend wieder einmal einen freilich bisher einseitigen „Pakt mit den Italienern“ geschlossen. Er tat das an nämlicher Stelle wie 2001 – im Fernsehen. Damals versprach er in seinem „Contratto con gli Italiani“ steuerliche Erleichterungen, die Halbierung der Arbeitslosenzahlen, enorme staatliche Projekte und die Erhöhung der Mindestpensionen. Jetzt zeigte Berlusconi bei seinem Lieblings Talkshow-Master Bruno Vespa, sie sind ein eingespieltes Team, neuerlich einen Vertragstext ins Publikum, versprach wieder die Steuern zu senken, Renten zu erhöhen und mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei hatte der mittlerweile mehr als 80 Jahre alte Senior erst 2011 nicht zuletzt wegen einer drohenden Staatspleite und hoher Arbeitslosigkeit die Mehrheit eingebüßt. Wegen schwerer Steuerhinterziehung in seinem Medienkonzern überführt, kann Berlusconi nicht einmal kandidieren und kein Staatsamt übernehmen. Er muss andere für sich inthronisieren. Doch wieder hat er eine Chance auf Sieg!

Der alte Charmeur, Liebling der Frauen und des unter der Steuerlast ächzenden Mittelstands, hat schon bei den Regionalwahlen in Sizilien im November 2017 das Unglaubliche geschafft: Seine Koalition, keineswegs Herren und Damen mit stets glänzend weißer Weste, siegte über die Sozialdemokraten (PD) und über die populistische „Bewegung Fünf Sterne“. Dabei hätten Siziliens Wähler an einen weiteren Pakt Berlusconis denken können, hatte Regierungschef Berlusconi doch auch einmal einen Vertrag mit der „Cosa Nostra“ geschlossen. Das ging jedenfalls aus dem Urteil gegen Berlusconis Ex-Mitarbeiter und Stabsmann auf der Insel hervor, der dafür heute im Gefängnis sitzt. Laut Berufungsgericht hatte jener frühere Senator Marcello dell’Utri “als Vermittler eines Paktes zwischen Silvio Berlusconi und der Mafia” gedient. Gegen Zahlung hoher Bargeldsummen genoss der “Cavaliere” daraufhin zwischen 1974 und 1992 Mafia-Schutz.

Aber diese Vergangenheit scheint – nach den Umfragen – die Wähler nicht zu beeindrucken. Nur wenige Wochen vor den nationalen Wahlen am 4. März sieht alles nach einem Triumph des Bündnisses mit Silvio Berlusconi aus. Dabei würde die rechte Mitte auch in Kauf nehmen, dass die Lega als gleich starker Partner mittriumphieren würde. Und diese Lega unter dem EU-Abgeordneten Matteo Salvini, der nie etwas anderes als Politik betrieb und von der EU in seinem Kampf gegen die EU bestens alimentiert wird, ist eine populistische, nationalistische Kraft, die Berlusconi nicht eindampfen kann und so Italien in die Krise der EU-Isolierung treiben würde. Es ist schon sonderbar, wie rückwärtsgewandt Italiens Wähler ist. Er lehnt Verfassungsreformen – wie die Abschaffung des kompletten Bikameralismus durch den Senat – ab. Auch alle weiteren Reformprojekte des damaligen PD-Ministerpräsidenten Matteo Renzi stießen auf Kritik, einschließlich der zivilen Partnerschaften für Gleichgeschlechtliche nach deutschem Modell. Schließlich sieht der Wähler offenbar nicht, dass die Wirtschaft in Bezug auf Wachstum und Arbeitslosenzahlen erstmals Erfolge verbucht. Ministerpräsident Paolo Gentiloni leistet hervorragende Arbeit. Zwar weiter meist EU-Schlusslicht, treibt der Regierungschef das Land doch spürbar voran – erstmals in Kontinuität seitdem 2011 Berlusconi das Amt verlor. Italiens Wähler scheinen – zumindest nach den Umfragen – Neigung zum Selbstmord zu hegen. jöb.