Von der Leichtigkeit des Käsekuchens

Gestern, am 20.Oktober, haben wir im Princess Cheesecake in der Charlottenburger Knesebeckstraße das neue Buch zu den Berliner “Kuchenoasen” vorgestellt. Bei einem kühlen prickelnden “Bremer Privat” und einem herrlichen Stück Käsekuchen kamen knapp 50 Zuhörer auf den Genuss. Eine gute Debatte darüber, wie sich heute noch die Kaffee-Kultur in Ost und West untetscheidet, beendete den Abend.

Das Princess Cheesecake ist mit folgemdem Text in der Neuerscheinung vertreten:

 (Lesezeit 2 Minuten)

Ihre Füße stecken in eleganten Pumps; Bein über Bein sitzt sie da vor dem Café in mittelkurzem Rock, der dasselbe Kaffeebraun zeigt wie ihre Schuhe. Vor ihr auf dem Tisch liegt ein reichlich dickes Manuskript, das sie offensichtlich nur unwillig studiert. Sie überschlägt ungeduldig Seiten und markiert Passagen mit Bleistift. „Wirklich?“, „Prüfen“, schreibt sie dabei an den Rand! Immer wieder wirft sie ihre Haare aus der Stirn. Ruhiger wird die Buchagentin erst, als sie ein Glas Champagner und den „Königlichen Käsekuchen“ erhält. Sie genießt zunächst einen Schluck, und mit dem ersten Bissen nimmt sie dann für ein halbes Stündchen Abschied von der Arbeit, entspannt sich und beschließt: Dies Buch wird sie nicht zu vermarkten suchen. Jetzt kann sie wieder lächeln. Die Agentin wohnt in der Nachbarschaft der Knesebeckstraße, in der das Café der „Princess Cheesecake“ zum Genießen einlädt. Gerne kommt die Agentin hierher und beruhigt ihre Nerven, wenn sie wieder einmal mal von einem Autor bedrängt wird.

An diesem ersten Frühlingsnachmittag nach der langen Pandemie-Krise hat sich der Platz mit seinen eleganten Sitzgruppen unter den zart rosa Schirmen schnell gefüllt. Es sind meist die wohlsituierten Bürger in diesem Stadtteil, die seit der Öffnung 2018 zu dieser Patisserie kommen. Dabei wurde die „Prinzessin“ 2011 zunächst nur in der Tucholskystraße in Berlin Mitte geboren. Dort wird auch bis heute produziert und serviert. Das Café im Westen ist dagegen größer; da lassen sich mehr Gäste empfangen. Cornelia Suhr heißt die Gründerin von “Princess Cheesecake“; sie ist die Chefin bis heute. „Conny“ stammt aus einer Familie von Konditoren und betreibt zudem seit Jahren eine PR-Agentur. Für ihre beiden Cafés muss sie freilich kaum Werbung machen. Die laden durch sich selber ein. In einer Stadt, in der Lässigkeit und Improvisation herrschen, wirken Connies Prinzessinnen von vorherein wie Oasen der Eleganz und Zuverlässigkeit.

In der Knesebeckstraße fallen schon von weitem diese hellrosa Schirme vor dem Café ins Auge. Ausgewählt, damenhaft und leicht wirken sie. Dann verliebt sich das Auge in das frische Rosa der Möbel drinnen; auch in die Rätsel aufgebende Tapete aus Italien, die dies Rosa aufnimmt; im Übrigen aber unscharf Konturen eines floralen Musters wiedergibt, so als habe ein Archäologe gerade erst diese aus römisch-antike Wand ausgegraben. Alles Licht aber richtet sich auf die Kuchen hinter dem Spuckglas. Zehn verschiedene Torten liegen da heute, Törtchen und Tartes; stets werden nicht nur die Namen genannt, sondern auch diverse Zutaten beschrieben. Für diesen „New York Cheesecake“ oder die Torte aus dunkler und heller Schokolade „ChocoLoco Darling“ muss man keine Werbung machen. Allein der Anblick weckt den Geschmackssinn: Aber diese Kunstwerke sehen nicht nur kunstvoll aus, sie schmecken auch hervorragend, wie sich bald erweist.

Jeden Tag kommen die ästhetischen Verführer frisch aus der Patisserie in der Tucholskystraße. „Dort wie hier in der Knesebeck geht es uns darum, einen Platz des Genusses und der Ruhe zu schaffen, eine Auszeit vom Alltag“, sagt Conny Suhr. Urgroßvater und Großvater waren Bäcker und Konditormeister im Westfälischen. Conny hingegen kam erst in Los Angeles auf den Geschmack, wo sie beim Film arbeitete, für Rockmusik schwärmte, aber eben auch immer wieder in Venice „Devils Cheesecake“ genoss. Da sie in der Regel in der ersten Biosupermarktkette in den USA ihre Einkäufe erledigte, wurde ihr dort auch das erste Mal klar, dass gute Käsekuchen Bio sein müsse. Als Conny dann 1994 nach Berlin wechselte, stand sie quasi „vor der Alternative Rock-Radio oder Käsekuchen“. Sie habe sich für Bio-Kuchen entschieden und zurück in Europa für Europas Geschmäcker: für den französischen bei der Zitronentarte „Mondanité“. Der polnische Baumkuchen wird in „Königin Bonas Traum“ zur italienischen Versuchung, die sich allemal nachvollziehen lässt, wenn man sich Prinzessin Bona vorstellt, jene Sforza-Herzogin vom sonnigen Stiefel, die sich plötzlich im kalten Warschau wiederfand, war sie 1518 dem polnischen König angetraut wurde. Da wurde Italien zum Traum. Der Salz-Karamell-Mandelkuchen, um noch ein Beispiel zu nennen, ist spanischen Geschmacks.

All die Kreationen müssten besser sein als „Omas Kuchen, der bekanntlich schwer zu toppen ist“, gibt Conny Suhr zu verstehen; „denn sonst kommt ja keiner zu Princess Cheesecake“. Und so werde mit Bedacht mit ausgewählten Produkten aus der Region und je nach Saison gearbeitet. „Bei uns gibt es nur besten Magerquark, nur braunen Zucker oder guten Honig. Jedes Ei schlagen wir selber auf. Leicht müssen diese Torten sein. Vegane Törtchen gehören auch zum Angebot“. Das Cassis-Törtchen ist so ein Diätwunder und ist so köstlich, dass jede der drei Damen, die sich gerade am Nachbartisch niederließen, ein Stückchen bestellt. Man sieht geradezu, wie der Creme schwarzer Johannisbeere voll Genuss, wenn nicht Hingabe hinter rotgeschminkten Lippen verschwindet. Die Damen schweigen; die Agentin hingegen muss in den Alltag zurück und geht. (jöb.)

 

Jörg Bremer/Henning Kreitel/Arthur-Iren Martini
Kuchenoasen – Berliner Café-KulTour
mitteldeutscher Verlag, Halle, 2021

144 S., Br., 135 × 205 mm, Farbabb.
ISBN 978-3-96311-390-1